Hunde geraten in den letzten Jahren immer öfter negativ in die Schlagzeilen diverser Boulevardblätter. Das größte Potential sehen Boulevard-Journalisten in der reißerischen Aufmachung von
diversen Beißvorfällen.
Die Umwelt ist nun so sensibilsiert, dass es oft schon beim Anbellen von Spaziergängern am eigenen Gartenzaun heisst: “Was ist das nur für ein aggressiver Hund?!” Fakt ist jedoch: die Welt hat
sich verändert! Und mit ihr die Ansprüche, die sie an die in ihr lebenden Individuen stellt. Sei es Mensch oder Tier.
Ich kann mich noch sehr gut an eine Begebenheit aus meiner Kindheit mit dem Hofhund eines unserer Dorfbauern erinnern.
Wir kamen als Kinder oft beim Spielen dort vorbei und ich war verliebt in den Bernhardiner, der dort lebte. So rannte ich also auf ihn zu und wollte ihn streicheln, worauf er mich anbrummte. Ich
streichelte ihn trotzdem und er quittierte das, indem er mich stellte und zwickte. Fand ich gar nich lustig…
Zuhause erzählte ich es meinem Großvater – ich war ganz aufgewühlt, hatte ich doch einen riesigen Schreck bekommen. Er fragte mich: “Hat er geknurrt?” Ich bejahte. Seine Antwort daraufhin: “Warum
bist du dann nicht weg? Offenbar hat er keinen Wert auf deine Gesellschaft gelegt! Sei froh, dass er dich nicht richtig gebissen hat!”
Heute würde der Bauer vermutlich eine Anzeige bekommen, dass er seinen aggressiven Hund frei auf dem Grundstück laufen lässt….
Was ich damit sagen möchte ist, dass sich die Natürlichkeit im Umgang mit Lebewesen stark verändert hat.
Heutzutage müssen sich Hunde von jedem anfassen lassen, sich von jedem schubbsen lassen, dürfen nicht bellen, nicht jagen, nicht streunen – kurz, am Besten sollten sie wie kleine Menschen sein –
und das noch besser können, als die meisten Menschen selber.
Natürlich sind wir als Hundehalter stets in der Pflicht, unsere Hunde so zu führen, dass niemand von ihnen belästigt, verletzt oder verängstigt wird (leider trägt die Haltung vieler
Hundebesitzer, die ihre Hunde überall und zu jedem hin rennen lassen, die Hinterlassenschaften ihres Hundes nicht wegräumen usw… nicht wirklich zum Bild des Hundes in der Öffentlichkeit bei …
ABER: dafür kann der Hund nichts!).
Genauso wichtig ist jedoch, für das Thema “Aggression” zu sensibilisieren. Anzuregen, genauer hinzuschauen und vielleicht erkennen zu können, was Aggression ist, wie sie entstehen kann und wie
man damit umzugehen lernt.
Klären der Begrifflichkeit:
Die Verwendung der Bezeichnung Aggression beinhaltet in der Verhaltensbiologie kein Werturteil.
Aggression beschreibt ein Handeln, das einen Gegenpol zum Meiden einer Situation oder zur Flucht vor einem Reizauslöser bildet.
Genetische Dispositionen und Vorerfahrungen bestimmen, wie rasch ein Tier angesichts einen Reizauslösers bereit ist, sich aggressiv zu verhalten.
Angstaggression (umgangssprachlich oft verwendet) kennt die Verhaltensbiologie nicht. Angst ist häufig eine Ursache für aggressives Verhalten, stellt jedoch ein von der Aggression getrenntes
Gefühl dar.
Oft folgt die Aggression der Angst, wenn ein Hund erkennt, dass er mit einer Strategie des Meidens keinen Erfolg haben wird. Er handelt aus seiner Sicht logisch, wenn er sich in einer solchen
Situation aggressiv verhält.
Allgemeines über Verhalten:
Aggression ist als mögliche Strategie zur Konfliktlösung jedem Hund “in die Wiege gelegt”. Die “Erfolgsbilanz” spielt dabei eine große Rolle (Wie oft erhalte ich mit welchem Verhalten welche
Ziele?)
Das Verhalten des Hundes orientiert sich am zu erwartenden Erfolg. Das gilt natürlich auch für die Aggression.
Auch aggressives Verhalten dient dazu, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. (Beendigung einer bedrohlichen Situation, Verteidigung einer Ressource, Distanzvergrößerung zum Auslöser)
Aggression ist ein Verhalten – in der Regel gehen einer aggressiven Handlung verschiedene Signale voraus und das Einsetzen der Aggression hat einen Grund (siehe oben) – einen Aggressionstrieb
(aggressives Verhalten aus sich selber heraus, also als Selbstzweck) gibt es nicht!!!
Das normalste der Welt: natürliche Aggression
In Ermangelung ausreichender Fachkompetenz, durch Sensationsjournalismus oft falsch ausgelegtem und falsch dargestelltem Verhalten des Haushundes kommt es zu absurden Anlagehundeverordnungen. Dabei ist rassebedingte Aggression bislang nicht wissenschaftlich belegbar.
Es liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Menschen, Verhalten zu erkennen, zu formen und zu kontrollieren. Dabei erfolgt die Prägung des Hundes durch seine Sozialpartner vor allem in der
ersten sensiblen Phase zwischen der 3. und 18.Woche durch Elterntiere, Wurfgeschwister, andere Rudelmitglieder, Züchter und nicht zuletzt der Adoptiveltern.
Politische Verordnungen sind daher ad absurdum zu führen…
Aggression in Zusammenhang mit Sozialverhalten
Aggressives Verhalten steht in engem Zusammenhang mit Angriffs-, Flucht- und Verteidigungsverhalten des Hundes. Der Hund ist auf Kooperation im hierarchischem System (Rudel = Familienverband) angewiesen, um seinen individuellen Nutzen zu haben.
Konkurrenz unter den Individuen einer Gruppe ist Normalität!! Das kann man auch schon bei den jüngsten Mitgliedern der Gattung Mensch beobachten ;-)
Für die Konfiguration Mensch-Hund gilt das auch…
Es entwickelt sich ein ausgeklügeltes Droh- und Kampfverhalten, welches mit dem Zusammenleben zur Wahrung einer sozialen Hierarchie führt – aggressive Kommunikation. Wobei Kampf eine höhere Aggressionsstufe innerhalb dieser ritualisierten Kommunikationsform darstellt. Eine aktive Kampfhandlung bedeutet für alle beteiligten ein erhebliches Verletzungsrisiko und eine Gefährdung des Rudels. Deswegen wird normalerweise im Rudel versucht, diese Kampfhandlungen zu vermeiden, da sie Energie verbrauchen, die für andere Aufgaben zur Verfügung stehen sollten (gemeinsames Revierverteidigen, Nahrungsbeschaffung, Schutz des Nachwuchses usw…)
Die rituelle Darstellung von Kraft- und Überlegenheit, sowie der Stressminderung und Beschwichtigung ist zum Krafterhalt und der körperlichen Unversehrtheit wichtig.
Bleibt eine Droh- oder Beschwichtigungsaktion ohne Erfolg kann es über den Kommentkampf bis hin zum Beschädigungskampf führen.
Stufen der Aggression
1. Stufe der Aggression:
Distanzdrohen: Fixieren, Zähne blecken, Knurren…
Distanzunterschreitung: gelegentlicher Körperkontakt, gehemmtes Beißen
2. Stufe der Aggression
Körperkontakt: Über die Schnauze Beißen, Ringkampf
Einschränkung der Bewegungsfreiheit: Queraufreiten, über dem Gegner stehen, Herunterdrücken, Schieben, Abwehr auf dem Rücken…
3. Stufe der Aggression
Gehemmte Beschädigung: Anrempeln, Anspringen, Vorstoßen, gehemmtes Abwehrbeißen…
Ungehemmte Beschädigung: Beißen, Schütteln…
Aggression von Hunden im Bedrohungsfall
Möglichkeiten des Hundes zum Deeskalieren einer bedrohlichen Situation:
- Flight (Flucht)
- Freeze (Erstarren)
- Fiddle about oder Flirt (Übersprunghandlungen, Herumhippeln)
- Fight (“Flucht nach vorn”, Kampf)
Offensives Verhalten zur Schaffung von Distanz oder Neutralisation (Distanzknurren, Angriff)
Flüchten ist oft nicht möglich (Leine) – also wird das nächste Verhalten gezeigt – das Verhalten, welches zum Erfolg führt (Distanz zum Auslöser) wird in Zukunft öfter gezeigt werden. Verhalten,
welches erfolglos bleibt, wird nicht mehr gezeigt.
Das beste Beispiel hierzu ist die sogenannte “Leinenaggression”. Viele Hunde, die im Freilauf recht entspannt mit Artgenossen kommunizieren, gehen an der Leine oft explosionsartig los – sie
können einfach nicht adäquat kommunizieren.
Hier ist Management gefragt und das erlernen für den Hund selbstständig ein adäquates Verhalten stattdessen zu zeigen, welches ihm auch noch hilft, emotional in die Ruhe zu kommen.
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Thomas (Freitag, 17 April 2020 18:41)
Mein Hund knurt und hat beiattaken wenn ich noch im Bett liege, stellt sich vorm Bett stupst mich an leckt vorher noch meine Hand und dann geht's los meistenshelfe ich mir mit ein Griff ins Halsband und bringe ihn dann ins bad